Zukunft des Öffentlichen Verkehrs - Mobilitätskultur heute

Verkehr

Prof. Dr. Heiner Monheim ist anerkannter Stadtplaner und Verkehrsexperte, der in Bundes- und Landesbehörden und Universitäten gearbeitet hat. Nach eigenen Aussagen kämpft er mit viel Leidenschaft und Energie seit vielen Jahren für lebenswertere Städte, einen besseren öffentlichen Verkehr, für eine moderne, innovative Verkehrspolitik und gegen wahnwitzige Großprojekte.

In einem vom Evangelischen und Christlichen Bildungswerk in Zusammenarbeit mit den Grünen vorbereiteten Diskussionsabend stellte Monheim seine thematischen Schwerpunkte Mobilität allgemein und speziell Fuß- und Radverkehr, öffentlicher Verkehr, Städtebau und Verkehr dar.

 

Wir leben in einer mobilen Gesellschaft. Untersuchungen haben gezeigt, dass in den Städten 89 % der Bevölkerung täglich das Haus verlassen um zur Arbeit, in Schule und Kindergarten, zum Einkaufen oder Arztbesuchen zu gehen und nicht zu vergessen die Freizeit zu gestalten. Lediglich 11% verlassen ihre Wohnung nicht.

 

Mobilität wächst immer noch nach dem Motto – schneller, weiter, länger, öfter – und wer ein Auto hat, der fährt auch Auto. Danach richtete sich auch die Programmatik der großen Parteien zu Verkehr und Städtebau, ein Ansatz der heute antiquiert und kontraproduktiv wirkt. Autos und Straßen sind für die Politik noch immer das Maß aller Dinge und zwar nicht nur in der Verkehrs- sondern auch in der Wirtschafts- und Forschungspolitik. Am Ende politischer Entscheidungsprozesse steht fast immer der Ruf nach mehr Straßen, mehr Fahrspuren, mehr Tunnels, mehr Parkplätzen.

 

Aber die deutsche Bevölkerung ist jetzt bereit umzusteigen. Zum einen wird Autofahren immer teurer, allein die Preise für einen Autokauf sind enorm. Auf der anderen Seite haben wir sinkende Einkommen, die Zahl der Rentner steigt, die Lebenserwartung steigt aber die Renten stagnieren.

Als Zwischenfazit kann man sagen: Arme können sich das Auto nicht mehr leisten d.h. Mobilität wird Sozialpolitik. Autokäufe in jüngeren Jahren werden seltener, es ist die mittlere bis obere Altersstufe die noch kauft. Bei der Generation der über 60jährigen ist die Autofahrt gesunken, viele fühlen sich durch den zunehmenden Verkehr verunsichert und geben ihr Auto ab. Der Öffentliche Verkehr wird mehr akzeptiert. Multiflexibilität ist daher in den Fokus zu rücken z.B. mit dem Fahrrad zum Bahnhof (überdachter guter Fahrradabstellplatz), mit der Bahn zum Arbeitsort, dort mit der S-Bahn zum Werk und dann zu Fuß am Gehweg an den Arbeitsplatz.

 

Ein deutlicher Wertewandel ist in der jüngeren Generation zu erkennen, weniger Auto fixiert, aber sehr Infotechnik verliebt. Senioren hingegen wollen mobil bleiben, Freunde treffen, Urlaub machen. Die Autoindustrie reagiert bereits darauf, es werden Fahrräder produziert und angeboten und man ist dabei Autos zu entwickeln, die völlig alleine fahren, also Senioren gerecht. Und was bietet der Öffentliche Verkehr? Viele Sitzplätze, aber kaum Raum für Rollatoren, keine leicht erreichbaren Haltestangen, keine große Schrift um Fahrpläne und Informationen zu lesen – alles fehlt. Ein Angebot der kurzen Wege fehlt. Man betrachte nur den Regionalen Verkehr im Landkreis Landshut. Er wird nur als Schülerverkehr betrachtet. Am Wochenende ist er total ausgedünnt und macht den Besuch von überörtlichen Veranstaltungen fast unmöglich.

 

Man nehme z.B. die Pendlermobilität. Der Autopendler wird von Straßenbauern verwöhnt, alles wird komplett organisiert. Politik glaubt immer noch, dass Mobilität über 50 km das größte Problem ist. 90 % aller Mittel fließen in den Fernverkehr, 80 % aller Verkehre ist jedoch Nahverkehr. Die logische Konsequenz daraus ist, dass mehr Geld in die Kommunale Verkehrspolitik fließen muss. Kommunen erhalten z.B. keinen Pfennig aus der LKW Abgabe, auch aus Mautgebühren erhalten die Kommunen nichts.

 

Zwischenfazit: der Autoverkehr ist zu hoch, Staus in Ballungsräumen kosten viel Zeit. Straßenbau und –sanierung verschlingen Milliardenbeträge.

 

Zukunft des Öffentlichen Verkehrs – Mobilitätskultur – Verkehrsmix anstreben

 

Landshut ist eine der letzten Regionen die keinen Verkehrsverbund mit dem Umland hat, die Region Landshut muss bis 2019 einen Verkehrsverbund aufstellen. Die ÖPNV-Förderung läuft 2019 aus. Man sollte daher größere Betriebe in die Finanzierung mit einbeziehen. Auch Kirchen könnten für ihre Mitglieder ein größeres Kontingent an Jahreskarten zu einem günstigen Preis aushandeln und somit für den ÖPNV zu einer festen Einnahmequelle werden.Man sollte aber auch das Wissen der Autoindustrie in die Beratungen mit einbeziehen denn diese wissen Bescheid und stellen bereits auf die Zukunft um (s. Angebot von Fahrrädern).

 

In Landshut ist der ÖPNV mit 14 Linien gut aufgestellt. Aber es gibt zwei Schwachstellen: Es gibt viele Linien – aber alle haben ein radiales System, und das kostet viel Zeit. Bei 14 Linien gäbe es die Chance 4 Tangenten herzustellen, sozusagen einen Übereckverkehr. Mehr Fahrplanlogik – wird eine leidenschaftlich Debatte über finanzielle Mehrbelastung auslösen – aber es wird durch höhere Fahrgastzahlen ausgeglichen werden. In Landshut sind zu viele große und zu wenig kleine Busse unterwegs. Selbst Minibusse haben 3 Türen, mit Niederflur leicht zu besteigen und insgesamt ein sehr effektives System.

 

Der Landshut ÖPNV ist nicht kompatibel – ein integraler Taktfahrplan fehlt – wenn ein Zug ankommt, muss es mit dem Bus zügig weitergehen und umgekehrt. Auch das Umsteigen von einer Linie in die andere Linie muss zeitnah möglich sein.

 

Prof. Monheim  erläuterte an dem Beispiel Ergolding (der Bürgermeister von Ergolding war unter den Zuhörern) wie eine attraktive Busanbindung aussehen könnte: an der Endhaltestelle des Stadtbusses wartet bereits ein Minibus der die aussteigenden Fahrgäste auf einem Rundweg in die Wohngebiete transportiert, ein engmaschiges Haltestellennetz bedient und neue Fahrgäste aufnimmt um schließlich pünktlich zur Ankunft des nächsten Stadtbusses  wieder an der Endhaltestelle zu sein. Das würde die Attraktivität es Busses ungeheuer steigern, da weite Wege von der Haltestelle bis nach Hause entfallen.

 

Das Fahrrad spielt eine große Rolle. Es ist ein schnelles, effektives, ruhiges und umweltfreundliches Verkehrsmittel und kann bis ins hohe Alter gefahren werden. Fakt ist, dass alltäglich gefahrenen Fahrradstrecken ansteigen. Aber auch das Fahrrad kann mehr leisten im Verbund = Fahrradmitnahme in Bus und Bahn. Dazu gehört der Ausbau des Radwegenetzes, Radschnellwege die sehr gut angenommen werden, überdachte Radabstellanlagen usw.

 

Elektromobilität begann 1906 mit  Straßenbahnen und O-Bussen, heute sind Elektrofahrräder mit eingebautem Rückenwind die Berge hoch, der Renner. Autoelektromobilität kommt trotz hoher Kosten nicht so recht voran.

 

Der Schienenverkehr hat in der Vergangenheit rund 40.000 km Bahnstrecke reduziert, Bahnhöre geschlossen, Schienennetze abgebaut. Die Bahnregulierung hat inzwischen 340 Bahnunternehmer in den Anbieterwettbewerb gebracht. Inzwischen gibt es gute Beispiele in Deutschland, wo Bahnstrecken reaktiviert wurden und erfolgreich betrieben werden, mit einem dichten Haltestellennetz im Verkehrsverbund integriert.

 

Fahrscheinloses Ticket auch dazu gibt es schon viele Beispiele

Semesterticket – der Semesterausweis gilt als Fahrkarte

Kurabgabe  - enthält Busfahrschein

Hotelkarte -   enthält Busfahrschein

Eintrittskarte FC-Arena – enthält Fahrschein

Monats- und Jahreskarten

 

Eine Frage aus dem Publikum lautete ob ein Bahnschschluss  oder eine Seilbahn von einem großen Parkplatz in Ergolding zur Fachhochschule nach Schönbrunn denkbar wäre. Prof. Monheim meinte ein kleiner S-Bahnanschluss habe einen Planungsvorlauf von ca. 10 Jahren. Eine Seilbahn wäre in 10 Monaten gebaut. Und wenn man sie nicht mehr braucht, wird sie abgebaut und wandert weiter, zum nächsten Ort, wo sie gebraucht wird. Eine Seilbahn ist förderfähig, wie jedes andere Verkehrsmittel auch.

 

Bürgernahe Verkehrspolitik hat mit Ideologie nichts zu tun, sondern mit Pragmatismus. Dafür müssen Egoismen und Denkverbote überwunden werden. Wer nicht in die Zukunft schaut wird an der Zukunft scheitern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                                                                               

 

 

 

 

                                                                                                                             

 
 

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